#1

Die Mühle

in Eure Geschichten 03.06.2017 13:46
von Christina Clossbach • Mitglied | 10 Beiträge | 22 Punkte

Um einen kleinen Enblick zu bekommen in meine Arbeiten, anbei eine Geschichte, die ich gerade am schreiben bin (neben meinen Universitätsbesuchen) Bisher nenne ich sie "Die Mühle", aber eventuell ändere ich das noch. Ich hoffe sie gefällt euch. Sie ist allerdings noch nicht fertig.

Die Mühle
(Ich weiß noch, über was wir
gestern abend geredet haben)


Ob er mich geweckt habe, fragte am Telefon der Freund
mit einem Deut gezierter Anteilnahme zur Mittagszeit,
nachdem wir einen Abend bei mir zusammengesessen
hatten, den zu kennzeichnen er den Begriff «Gelage»
wählte, was ich zu dramatisch fand, denn, so erklärte ich
ihm, zu zweit innert sechs Stunden drei Flaschen Wein
zu leeren, sei durchaus europäisch maßvoll, mit anderen
Worten, ich sei schon länger auf und guter Dinge.
«Sei’s drum, laß gut sein», erwiderte der Freund. «Fragst
du dich, wenn du nach solchen längeren Sitzungen
morgens aufwachst, eigentlich auch manchmal: Über
was haben wir gestern eigentlich die ganze Zeit geredet?
Gewiß, man saß behaglich im Scheine wohlüberlegt
verteilter Lampen und in angenehmer Entfernung zum
jeweils anderen, anderthalb Meter etwa, so daß keiner
brüllen mußte, man trank und biß auf Nüsse, mal ging
der eine aufs Klo, mal der andere, und man redete ohne
quälende Pausen, aber über was bloß?»


«Man könnte versuchen, und sei es nur zum Spaß, eine
solche Unterhaltung zu rekonstruieren.»
«Ich könnte es nicht! Ich erinnere mich bloß noch an
Pfeffermühlen und Herrenunterhosen.»
«Dann laß mich mal.»
Du kamst kurz nach acht, und wir gingen erst einmal
in die Küche, weil das eben so Sitte ist, erst mal kurz
in die Küche zu gehen mit Gästen, bevor man anregt,
«rüberzugehen», also in den gastlich präparierten Wohnbereich.
Dein erster mir erinnerlicher Gesprächsbeitrag
bestand aus einer lobenden Erwähnung meines sauber
abgewischten Küchentisches. Ich erwiderte, daß ich
schon aus anspruchsvolleren Gründen gelobt worden
sei, und hoffte, daß dir Gewichtigeres einfallen würde,
wenn sich dir einst nach meinem Tode Mikrophone entgegenschöben,
deren Benutzer von dir wissen wollten,
was an mir bemerkenswert gewesen sei. Daraufhin griffst
du zu meiner Pfeffermühle und meintest: Ja, du würdest
sagen, toll an mir sei gewesen, daß ich eine angenehm
ungroße Pfeffermühle gehabt hätte und nicht, wie heutzutage
beinah alle anderen, ein Ungetüm im Maßstab
einer Grabbeigabe aus phallokratischer Vorzeit.
«Ja, wenn du etwas spitzfi ndiger wärst, könntest du die
Kleinheit meiner Pfeffermühle ebensogut auch kritisie-


ren», habe ich geantwortet. «Wo alle Welt mit Riesendildos
pfeffert, ist es ein Einfaches, sich abzugrenzen,
indem man sich bescheiden gibt. Understatement ist
letztlich nur eine kenntnisreichere Form von Prahlerei.
So ganz ohne allerdings ist meine Pfeffermühle sowieso
nicht: Sie hat immerhin ein Mahlwerk von Peugeot.»
«Von Peugeot? Der Autofi rma? Na, warum nicht!
Yamaha produziert ja auch Motorräder und Klaviere,
und die Peugeot-Chefs werden sich eben gedacht haben,
wenn mal wieder eine Ölkrise kommt, dann haben
wir noch ein zweites Standbein, denn wenn die Leute
nicht Auto fahren, sitzen sie zu Hause, und wonach gelüstet
ihnen dort? Nach dem Pfeffern ihrer Speisen und
Getränke.»
Ich erwähnte daraufhin, daß man auch Dinge aus dem
Non-Food-Bereich pfeffern könne, und erzählte eine
Geschichte, die sich vor einigen Jahren in Österreich
zugetragen haben soll. Ein dort ansässiger Fakir beabsichtigte,
um in die Medien zu kommen, im Auto von
Salzburg nach Wien zu fahren, und zwar auf Glasscherben
sitzend und, natürlich, mit blankem Po. Um die
Medienleute noch mehr anzustacheln, hatte er angekündigt,
die Scherben mit Gift zu beträufeln, doch diese
Form der Reizsteigerung wurde seitens des als Sponsor
auftretenden Autoherstellers abgelehnt. Da hat der Fakir
die Scherben halt gepfeffert. Zusätzlichen Pfi ff hätte die


Story nun gewiß, wenn es sich bei dem keine Bedenken
gegen das Pfeffern der Scherben hegenden Autohersteller
um Peugeot gehandelt hätte, aber leider ist nicht überliefert,
welche Firma es war. Du sagtest dann, die Geschichte
hätte ich schon einmal erzählt, und ich meinte,
mein Gott ja, wenn man sich so lange kennt …



zuletzt bearbeitet 03.06.2017 13:47 | nach oben springen

#2

RE: Die Mühle

in Eure Geschichten 03.06.2017 13:55
von Frya_SeelenElfe89 • Schinken | 48 Beiträge | 271 Punkte

Ein sehr schöner Text, der zum Nachdenken anregt.
Das Layout finde ich dazu sehr passend und unterstützend. :)


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#3

RE: Die Mühle

in Eure Geschichten 03.06.2017 14:16
von Gamboreeno • Mitglied | 8 Beiträge | 64 Punkte

Ne richtig tolle geschichte in die man sich so wunderbar reinverstzen Richtig toll, hast du noch mehr?


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